Maroua 23. August 2007

Wehe denen, die Schaden zu tun trachten, weil sie die Macht haben!
Micha 2, 1

Jesus sprach: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker niederhalten und die Mächtigen ihnen Gewalt antun. So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.
Matthäus 20, 25 - 27


A sallaamu aleykum!

Ja, wir leben noch. Danke der Nachfrage, mein Finger ist inzwischen geheilt :-)

Asche auf mein Haupt: Über zwei Monate habe ich mein Tagebuch nicht mehr aktualisiert. Und viel ist seither passiert: Baubeginn der Kirche im Stadtteil Pitoaré, Jugendcamp, Grundstückskauf, Planung unseres Hauses, Pastorenkonferenz, Einsetzung des Regionalpastors in Garoua, Tod unserer kleine Katze Sidouce, viele Besucher, Fulfuldekurs, Mietvertrag und Umbau des Hauses für Lumière, Konzeption der Alphabetisierungskurse, Einschreibung der Frauen, Vorbereitung unserer Deutschlandreise im Herbst  ...

Doch jetzt nehme ich mir einfach die Zeit, Euch wieder einmal zu berichten, wie es einem deutschen Missionar mitten in Afrika geht.

Wir sind jetzt in der Regenzeit und es regnet fast täglich mehr oder minder heftig. Regenzeit bei uns bedeutet nicht, dass es den ganzen Tag regnet. Meist sind es Gewitterschauer mit einer Dauer von einer bis zwei Stunden. Doch wenn es regnet, dann meist heftig.

Ein Nachmittag bin ich in der Stadt im Internetcafé. Ich merke gar nicht, wie es draußen dunkel wird. Plötzlich fängt es an zu regnen - die Amerikaner nennen das: "It's raining cats and dogs - es regnet Katzen und Hunde." Dazu ein sehr kräftiger Wind - Stromausfall. Gott sein dank, ich bin gerade fertig und habe meinen Labtop bereits heruntergefahren. Am Eingang verfolge ich das Schauspiel. Es gießt wie aus Eimern. Ich glaube, ich habe noch nie solch einen heftigen Regen erlebt. Im Internetcafé (und wie Marguerite und ich später feststellten auch bei uns zu Hause) tropft das Wasser mächtig von der Decke.

Nach 20 Minuten ist alles vorbei. Die Sonne scheint wieder und ich setze mich ins Auto, um Marguerite im Büro abzuholen. Dann sehe ich das ganze Ausmaß des Unwetters. Der Weg führt über die Brücke. Der Mayo (Fulfulde: Fluss), der die meiste Zeit des Jahres trocken ist, ist voll. Auf der Hauptstrasse wundere ich mich schon, dass große Äste auf der Straße liegen. Dann kurz vor Marguerites Büro: Kein Weiterkommen, zwei große Bäume der wunderschönen Allee sind auf die Straße gestürzt.

Ich muss umkehren und erreichen Marguerites Büro auf einem anderen Weg - mittlerweile kenne ich mich recht gut in Maroua aus. Auf dem Weg nach Hause sehen wir überall in der Stadt die Schäden, die das Gewitter verursacht hat. Ganze Dächer wurden abgedeckt. Überall fließt noch sehr stark das Wasser. Abgerissene Strom- und Telefonleitungen legen weite Teile der Stadt lahm. Doch wie ein Wunder: Unser Quartier Douggoi blieb weitestgehend verschont.

Es dauert mehrere Tage bis die gröbsten Schäden beseitigt sind, bis wieder alle Stadtteile Strom haben, bis alle Straßen frei sind.

Ach ja das Thema Straße: Diese beiden Bilder habe ich vorgestern (21. August) direkt vor unserem Hoftor aufgenommen. Schon bei einem kleinen Regen verwandelt sich unsere Straße (eine der Hauptstraßen Marouas) in einen Mayo. Sie ist dann keine Straße mehr sondern eher ein Fluss. 

Von uns bis zur asphaltierten Straße Richtung Stadtzentrum sind es ca. zwei Kilometer. Bis zum Ende der Trockenzeit, konnte ich ruhig und ohne großes Schaukeln mit 40 km/h über die Piste rollen. Schneller wäre auch noch möglich gewesen, doch dann ist die Staubentwicklung enorm und das will ich den Anwohnern nicht zumuten.

Jetzt brauche ich für die zwei Kilometer ca. 10 Minuten. Ein Schlagloch folgt der anderen. Aufpassen, dass wir nicht in einem Schlammloch stecken bleiben. Radfahrer, Fußgänger, Motos, Lastkarren auf der Straße. Jedes Mal, wenn ich die Teerstraße oder auf dem Rückweg unser Haus erreicht habe, danke ich Gott.

Eigentlich fahre ich gerne Auto, doch jetzt plane ich im Voraus, wann ich in die Stadt fahre, um die Touren auf ein Minimum zu reduzieren.

Kein Wunder, dass die Straße immer schlechter wird: Jeder LKW - auch jetzt während ich diese Zeilen schreibe höre ich, wie sich ein LKW aus dem Schlammloch mit heulendem Motor und durchdrehenden Reifen aus dem Schlammloch quält - voll beladen mit Reis aus dem östlich von Maroua gelegenen Yagoua hinterlässt ein tieferes Loch. Eigentlich dürfen sie während und 6 Stunden nach dem Regen gar nicht fahren; doch die Polizisten sind auf den ein oder anderen Geldschein angewiesen, die ihnen von den Fahrern zugesteckt werden - TIA! Ich frage mich, wie lange es noch dauert, bis die Straße unpassierbar wird. Doch auch das ist TIA. Irgendwie geht es dann doch. Der gelbe LWK konnte sich aus eigener Kraft befreien, noch während ich da war. Bei dem anderen Laster half nur noch Entladen. Am kommenden Morgen war er nicht mehr da.

Ja, die Straßen sind wirklich ein Haupthindernis für die Entwicklung des Nordens. Im Büro des Leiters der Bank hier in Maroua habe ich einen Spruch von J.F. Kennedy gelesen: "Nicht weil wir reich sind haben wir gute Straßen, sondern wir sind reich, weil wir gute Straßen haben." Ach, wie wahr! Also liebe Entwicklungshilfeministerin: Investieren Sie in Infrastrukturprojekte, wie z.B. Straßen! Die Menschen werden es ihnen danken. Die Verbindung zwischen dem besser entwickelten Süden und dem Norden wird besser. Die Transportkosten, die hier im Verhältnis sehr hoch sind, reduzieren sich. Die Preise sinken. Reisen wird einfacher. Gerade haben wir Preise für Baumaterialien eingeholt. Überall war die Aussage, dass die Preise während der Trockenzeit niedriger sind. 

Doch ich wolle Euch nicht ein Straßenzustandsbericht geben, sonder über meine Fortschritte und Schwierigkeiten bei der Sprache Fulfulde berichten.

A sallaamu aleykum! Wenn man ein Gehöft betritt oder eine Gruppe trifft ist dies die übliche Begrüßung: "Möge der Friede Gottes mit euch sein!" Man merkt doch an einigen Sprachwendungen, dass die Peul, die dominierende Volksgruppe in West und Zentralafrika vom Orient beeinflusst sind. Denn dies ist eigentlich eine orientalische Begrüßungsform.

Überhaut ist die Begrüßung hier in Nordkamerun fast eine Zeremonie. Man begnügt sich nicht mit "hallo!", "guten Tag!" und "wie geht's?". Meist beginnt das Begrüßungszeremoniell mit: "Jam na?" - (ausgesprochen: djam na) - wie geht's? Dann erkundigt man sich nach dem Haus: "Jam saare?" Sarre stellt nicht nur das Haus sondern das ganze Gehöft oder Anwesen dar, mit allen Bewohnern, Gebäuden und Inventar. Meist folgen dann die Erkundigungen nach der Frau(en) und den Kindern: "Debbo ma a jamo na?" - wie geht es deiner Frau? "Jam bikkoy?" - wie geht es deinen Kindern?  Man antwortet, entweder mit einem kurzen: "jam" - es geht mir / uns gut! oder mit: "jam koodume!" - es geht uns sehr gut! oder die Antwort ist nur: "Koodume!" 


Unser Nachbar beim Pflügen des Feldes mit seinem Esel

Überall taucht das Wort "jam" - Frieden auf, wie auch bei der oben erwähnten Begrüßung. Wörtlich übersetzt fragt man: Hast du Frieden? Hat dein Haus (umfassend gemeint) Frieden? Hat deine Frau und haben deine Kinder Frieden? Wenn alles gut ist antwortet man: Frieden! - Jam! oder: Alles in Frieden - Jam koodume! Der Gesprächspartner ist wirklich daran interessiert, wie es einem geht und wenn man Probleme schildert, ist einem die mitfühlende Anteilnahme gewiss. So habe ich einen alten Mann auf der Straße getroffen, der mir im Hospital bei den Verbandswechseln (siehe Tagebuch vom 20.06.2007) häufig begegnet ist. Er war hoch erfreut, dass mein Finger mittlerweile vollkommen geheilt ist.

Seit 3 Monaten bin ich dabei Fulfulde zu lernen. Mein Lehrer ist Pastor Dabalambe. Er ist Pastor der größten Kirche der Mission du Plein Evangile in Maroua. Außerdem hat er wöchentlich eine Radiosendung. Dadurch ist er recht bekannt und viele, denen ich davon erzähle, dass er mein Lehrer ist, bestätigen, dass er ein sehr gutes Fulfulde spricht.

Über die Begrüßung bin ich in den drei Monaten nicht hinausgekommen :-( Es fällt sehr schwer, mir die Wörter einzuprägen. Ich bin halt kein Sprachtalent und wahrscheinlich spielt dann doch mein Alter eine Rolle. Meine Nachbarin Helen meint ganz trocken, ja über 40 lässt das Gedächtnis nach. Oder bin ich wie häufig zu ungeduldig?

Erschwerend kommt hinzu, dass kann man Fulfulde nicht mit den europäischen Sprachen vergleichen. Im Französischen kann ich mir einiges aus dem Englischen und auch aus dem Italienischen herleiten. Das funktioniert bei Fulfulde gar nicht. Die Grammatik ist vollkommen verschieden. So sind die Zeitformen nicht mit den europäischen Sprachen vergleichbar. Auch gibt es nicht für alles Wörter. 12 Uhr Mittag wird übersetzt mit: "En don caka cak naange" [ausgesprochen: en don tschaka tschak naange] und heißt wörtlich übersetzt: Man ist genau in der Mitte der Sonne. So heißt es nicht nur Vokabeln sondern ganze Redewendungen pauken. 


Kinder im Dorf bauen mit Lehm ihr Traumhaus, wie ich damals mit Knet und Lego

Doch ich gebe nicht auf. Mehr und mehr macht es mir Spaß. Ja, da fällt mir Ginans Spruch wieder ein: "Du musst die Dinge lieben, dann funktionieren sie auch!" So bin ich dabei, ein altes Grammatikbuch, das die Fulfulde-Grammatik in Französisch erklärt, ins Deutsche zu übersetzen. So bin ich dabei, das Geheimnis dieser Sprache zu ergründen und gleichzeitig mein Französisch in Wort und vor allem in Schrift zu verbessern. Dabei hilft mir, dass Fulfulde eine weitgehend rationale und bildreiche Sprache ist. 

Und wenn es drei Jahre dauert. Ich werde mich mit den Menschen hier in ihrer schönen Sprache verständigen können. Ich merke wie schon die wenigen Worte, die ich spreche, die Herzen der Menschen öffnet. Einmal war ich mit Oliver, mein Nachbar aus Sachsen, der perfekt Fulfulde spricht, im Dorf in der Nähe unseres Hauses. Mich hat die sehr große Offenheit der Menschen beeindruckt - und sehr viele sprechen hier nur Fulfulde und ihre Stammessprache.

So das war's für heute. Dank des Fortschritts hier im Extremen Norden Kameruns haben wir nun Internetanschluss im Haus und ich kann die Seite gleich ins Netz stellen.

Ihr sollt nun nicht noch einmal zwei Monate bis zum nächsten Eintrag warten. Nächste Woche werde ich über Schwierigkeiten und Fortschritte bei LUMIERE-CAMEROUN berichten.

Bis dahin - seid gegrüßt aus dem Herzen Afrikas von 

Marguerite und Klaus